Antrag: Windkraftnutzung im Landkreis Aschaffenburg

Antrag: Windkraftnutzung im Landkreis Aschaffenburg
Antrag: Windkraftnutzung im Landkreis Aschaffenburg
Antrag: Windkraftnutzung im Landkreis Aschaffenburg

Presseerklärung zum Antrag „Windkraftnutzung im Landkreis Aschaffenburg“
Bündnis90/DIE GRÜNEN

Grüne fordern schnelleres Vorankommen beim Klimaschutz in der Region

„Uns läuft die Zeit davon“, so die Kreisrätinnen Christine Scheel und Barbara Hofmann, die für die grüne Kreistagsfraktion in Zusammenarbeit mit weiteren grünen Akteuren im Kreis einen Antrag mit dem Schwerpunkt „Windenergie im Landkreis“ erarbeitet haben.
„Wir müssen alles tun, um glaubwürdig die Klimaschutzziele einzuhalten“, fordert Fraktionssprecherin Sylvia Hein, die diesen Antrag für die Fraktion in den Kreistag eingebracht hat.

 

Bereits 2011 hatte der Landkreis das „Integrierte Energie- und Klimakonzept für die Region Bayerischer Untermain“ mitgetragen. Das damals von der B.A.U.M Consult GmbH erarbeitete Konzept wurde unter Beteiligung vieler regionaler Akteure aus Bürgerschaft, Umweltverbänden, kommunalen Verwaltungen, Wirtschaft und Politik erstellt.
Obwohl die Klimaziele seitdem aufgrund der Klimakrise international und national erheblich ambitionierter beschlossen wurden, sind noch nicht einmal die Ausbaupotenziale des damaligen Gutachtens ausreichend angegangen worden. „Dies ist ein Trauerspiel“, so Barbara Hofmann und Christine Scheel, wenn man bedenkt, dass wir das Jahr 2022 vor uns haben und selbst das Bundesverfassungsgericht zur Klimagesetzgebung ein Urteil gefällt hat.

„Alle Verantwortlichen müssen zwischenzeitlich wissen, dass die notwendigen Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaschutzziele sich nicht nur auf Energieeinsparung, einem verstärkten Ausbau der Solarenergie, klimaneutrales Bauen und auf die Mobilitätswende beziehen können, sondern auch die Windenergie einen Beitrag bringen muss, damit diese Ziele überhaupt erreicht werden können“, so die Grünen Kreisrätinnen.

In den letzten Jahren haben sich im Blick auf die Windenergie viele neue Entwicklungen ergeben, die die Grünen in ihrem Antrag für eine Neubewertung detailliert aufzeigen. Sei es die Anlagentechnik, die neue Situation bei der Deutschen Flugsicherung, die Forschung zum Thema Vogelschutz oder auch die Entwicklungen an den Kreisgrenzen. Natürlich auch die sich veränderten politischen Rahmenbedingungen und die Ziele des Landkreises Aschaffenburg.

Daher erwarten die Grünen, dass auch der Landkreis seiner Verantwortung für den Klimaschutz nachkommt und sich der Windkraftnutzung im Landkreis nicht in den Weg stellt, damit auch diese Wertschöpfung im Landkreis bleibt. Selbstverständlich müssen die naturschutzrechtlichen Belange berücksichtigt werden!


 

Antrag zur Windkraftnutzung im Landkreis Aschaffenburg

 

Sehr geehrter Herr Landrat Legler,
liebe Kolleginnen und Kollegen im Kreistag,

im Namen der Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen stellen wir folgenden Antrag:

Die Verwaltung informiert den Kreistag/ den Umweltausschuss des Landkreises Aschaffenburg über die vorhandenen Abschätzungen und Berechnungen zur Windhöffigkeit im Landkreis und den daraus sich ergebenden möglichen Standorten für Windkraftanlagen. Dabei sind zu berücksichtigen: – die Fortschritte in der Windkrafttechnik bei der Nutzung windärmerer Standorte – ein eventueller Wegfall der 10H – Regelung – die Umrüstung des Drehfunkfeuers „Charlie“ auf DVOR-Technik in 2023 Der Kreistag setzt sich dafür ein, dass der rigorose Ausschluss der Windkraftnutzung in der Naturparkordnung für den Spessart durch eine Regelung ersetzt wird, die eine Nutzung der Windkraft unter Berücksichtigung naturschutzfachlicher Aspekte zulässt.

B’90 / GRÜNE Aschaffenburg-Land – Kreistagsfraktionfraktion

Sylvia Hein – Fraktionssprecherin sylvia.hein@gruene-aschaffenburg.de

 

Begründung:

Der menschenverursachte Klimawandel hat auch Bayern und unsere Kommunen erreicht. Die Verluste in unseren Wäldern sowie die extremen Wetterlagen der letzten Jahre machen inzwischen jeder Bürgerin und jedem Bürger im Kreis Aschaffenburg deutlich, dass die seit Jahren diskutierten Probleme des Treibhauseffektes auch für unseren Kreis Relevanz haben.

Das Urteil des BVerfG [1] zur Klimagesetzgebung zeigt einmal mehr, dass konsequentes und langfristig gedachtes Handeln nötig ist. Aufgrund aktueller Gegebenheiten findet die dramatische wissenschaftliche Datenlage zunehmend Eingang in das Bewusstsein der Bevölkerung. Jetzt und Heute ist die Zeit zu engagiertem Handeln – im persönlichen, politischen, bundesweiten und kommunalen Umfeld gleichermaßen.
Den Kommunen kommt bei der Energiewende eine Schlüsselfunktion zu. Das hat auch die bayerische Staatskanzlei und das Umweltministerium in München festgestellt und steht zum Ziel der Klimaneutralität bis 2040 [2] unter ausdrücklicher Einbeziehung aller gewählten Gremien.

Die vielen Klimakommunen in Deutschland zeugen von einer Erfolgsgeschichte, wenn es darum geht auf kommunaler Ebene mit Kreativität, Bürgerengagement und dem Einsatz der Kommunen dezentrale Energieprojekte wie Bürgerwindparks zu entwickeln und somit mit regionaler Wertschöpfung wertvolle Beiträge zum Klimaschutz zu leisten. Nicht zuletzt kommt die Wertschöpfung auch den Bürgern und Bürgerinnen vor Ort zugute. (u.a. für Pacht, jährliche Erträge, Gewerbesteuer). Es gibt vielerorts schon gute Beispiele, die den Kommunen Millionenbeträge in die Kassen spülen. So bleibt das Geld in der Region!

Die Errichtung von Windenergieanlagen z.B. auf Kalamitätsflächen (Windwurf-, eh. Käferholzflächen) lässt aus unserer Sicht einen stärkeren Beitrag zum Klimaschutz erwarten, als das bloße Wiederaufforsten dieser Flächen. Durch WEA wird vom ersten Tag der Inbetriebnahme an erneuerbarem Strom produziert und somit ein Beitrag auf dem eingeschlagenen Weg zur Dekarbonisierung geleistet, d.h. die Stromerzeugung durch Kohleverbrennung wird anteilig reduziert und somit werden CO2-Emissionen vermieden. Der Klimaschutz-Beitrag einer potentiell als WEA-Standort geeigneten Aufforstungsfläche durch die Bindung von CO2 wird sukzessive erst nach Jahren annähernd an den Beitrag herankommen, den WEA zur CO2-Einsparung zu leisten vermögen.

Dies soll in folgendem Zahlenbeispiel verdeutlicht werden: Selbst relativ kleine Anlagen mit nur 1,3 MW Leistung sparen über 1200 t/CO2 pro Jahr ein. Das ist 74-mal mehr als 1 Hektar Wald in dieser Zeit aufnehmen kann. [3]

Auch Arbeitsplätze werden gesichert oder neu geschaffen, da auch nach der Errichtung der Anlagen Wartung und Verwaltungs-/Abrechnungsleistungen regelmäßig anfallen.
Somit stärken Windenergieanlagen den Standort bayerischer Untermain.

1. Grund für eine Neubewertung:
Nach allen aktuell bekannten Berechnungen wird das Ziel der Klimaneutralität nicht ohne eine effektive Einbindung der regionalen Nutzung von Windenergie möglich sein.
Insofern ist ein Aussetzen der aktuell gültigen Abstandsregel, bzw. deren Ausnahmeregeln in Kürze zu erwarten.

2. Grund für eine Neubewertung:
Zudem hat sich seit der letzten Ermittlung potenzieller Standorte die Anlagentechnik durch an Schwachwindstandorte wie in unseren Mittelgebirgslagen angepasste Anlagentypen weiterentwickelt. Das seit 4 Jahren auf Grundlage des EEG praktizierte Ausschreibungsmodell sieht zudem einen Zuschlag zur Kompensierung von windschwachen Standorten vor.
Anlagen modernen Bautyps sind zudem geräuschärmer als frühere Anlagengenerationen. Stand der Technik ist mittlerweile auch die bedarfsweise Abschaltung der Nachtbefeuerung, die bei bestehenden Windparks immer wieder Anlass für Bürgerproteste gab.
Standorte, die zum damaligen Zeitpunkt nicht wirtschaftlich nutzbar gewesen waren, könnten aus heutiger Sicht durchaus ihren wichtigen klimarelevanten Beitrag leisten.

3. Grund für eine Neubewertung:
Die Deutsche Flugsicherung (DFS) hat angekündigt einige Drehfunkfeuer, die als bodengestützte terrestrische Navigationsanlagen für den An- und Abflugverkehr von Flughäfen fungieren, umzurüsten. Für die regionale CVOR-Anlage „Charlie“ wurde für 2023 die Umstellung auf die Doppler-VOR-Technik (DVOR) angekündigt. Dieser Anlagentyp hat sich als robuster gegenüber den Störeinflüssen von WEA erwiesen. Seit 2020 akzeptiert die DFS zudem ein von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) entwickeltes neuartiges drohnenunterstütztes Berechnungsverfahren zur Ermittlung des Störeinflusses von Windenenergieanlagen auf DVOR-Anlagen. So konnte im Zeitraum zwischen Juni 2020 und April 2021 für 187 von 198 beantragten Windenergieanlagen innerhalb des 15 km-Anlagen-Schutzbereiches die luftfahrtrechtliche Zustimmung erteilt werden (Quelle: Energieagentur NRW). [5]

4. Grund für eine Neubewertung:
Auch die Forschung zum Thema Vogelschutz bleibt nicht stehen, so zeigt ein Feldversuch in Norwegen, dass die farbige Bemalung des Turms und das Schwärzen eines der drei Rotorblätter deutliche Verbesserungen bringt. [6]
Technische Einrichtungen wie eine Fledermaus- und Vogeldetektion zur Kollisionsverhinderung sowie Abschaltlogarithmen, um den örtlichen Fledermauspopulationen weitreichenden Schutz zu gewähren, sind mittlerweile von allen an Genehmigungsverfahren Beteiligten anerkannter Stand der Technik. [7]

5. Grund für eine Neubewertung:
Jenseits der Kreisgrenze etwa im Bereich Freigericht und Lohrhaupten gibt es erste Planungen für die Windkraftnutzung. Es ist damit zu rechnen, dass grenzüberschreitende Windparks bessere Standorte ermöglichen.
Dazu kommt, dass die Akzeptanz von Windkraftanlagen sich signifikant erhöht, wenn Bürger*innen mit Anlageoptionen beteiligt werden. Hier hat sich ein Paradigmenwechsel gezeigt, wie tatsächlich auch im ländlichen Raum, die Bevölkerung integriert werden kann.
Außerdem wurde die lange propagierte Gesundheitsschädigung der Windanlagen durch Infraschall in neuesten Studien widerlegt, die „alten“ Studien waren um den Faktor 1000 falsch!  [4]

Änderungen dieser relevanten Rahmenbedingungen machen eine erneute Prüfung von wirtschaftlichen Standorten notwendig, um im Augenblick der Entscheidung schnell die langwierigen gesellschaftlichen und juristischen Prozesse bis zur Erstellung der Windkraftanlagen zu beginnen.
Zudem möchten wir darauf hinweisen, dass bereits im Jahr 2011 im „Integrierten Energie- und Klimakonzept für die Region Bayerischer Untermain“ das ungenutzte Potential für unseren Landkreis bei der Windenergie mit einem Betrag von 31.500 MWh/a errechnet wurde.
Das derzeit genutzte Potential liegt bei 0 MWh/a.

Wenn wir die Klimakrise ernst nehmen, muss eben neben allen anderen Maßnahmen (Solarenergie, Energieeinsparung, Mobilitätswende, neue Wärmekonzepte und vieles mehr) auch das Potential der Windenergie einbezogen werden.

Wir bitten, diesem Antrag zuzustimmen.

Für die Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Fraktionssprecherin Sylvia Hein

 

[1] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2021/03/rs20210324_1bvr265618.html
[2] Süddeutche Zeitung vom 9.5.2021: https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-politik-umweltschutz-klimaneutral-2040-1.5287330
[3] Antwort auf Frage 3 unter https://www.mdr.de/wissen/windrad-statt-wald-cozwei-bilanz-100.html
[4] https://www.br.de/nachrichten/wissen/rechenfehler-infraschall-von-windraedern-schwaecher-als-behauptet,SVPJbfO
[5] https://www.solarserver.de/2021/06/11/umruestung-bei-flugsicherung-flaechen-windenergie/
[6] https://www.spektrum.de/news/schwarze-rotorblaetter-verringern-vogelsterben/1763028
[7] https://reset.org/blog/birdvision-intelligenter-vogelschutz-windraedern-01232020