Lösungen statt Parolen 28. Oktober 2010 aus der Bundestagsfraktion Wo andere hetzen, arbeiten Grüne für die Integration Die Umfragewerte für die CDU/CSU sind im Keller, Schwarz-Gelb hat massive Probleme mit engagierten Bürgerprotesten gegen die Atompolitik und gegen Stuttgart 21. In einer solchen Situation war es nur eine Frage der Zeit bis ein Horst Seehofer, sekundiert von vielen in der Union, eine neue Ausgrenzungsdebatte anzettelt. Pauschal wird „den Muslimen“ und „dem Islam“ mangelnde Integrationsfähigkeit unterstellt. Damit werden Millionen hier lebender Menschen vor den Kopf gestoßen und ideologisch ausgebürgert. Schüren von Vorurteilen, Spaltung der Gesellschaft, Eindreschen auf Minderheiten – das sind die klassischen Rezepte aus der rechtspopulistischen Giftküche. Die Integration der Muslime ist im eigenen Interesse des Staates und der Gesellschaft. Ein wichtiger Schlüssel für Integration ist die rechtliche Gleichstellung des Islam mit der christlichen und der jüdischen Religion. Denn das Grundgesetz garantiert auch Muslimen im Rahmen der freiheitlich demokratischen Grundordnung gleichberechtigt individuelle und kollektive Religionsfreiheit. So setzen wir uns dafür ein, dass auch muslimische Kinder in der Schule konfessionellen Religionsunterricht von in Deutschland ausgebildeten Religionslehrern erhalten. So können Kinder und Jugendliche aus wissenschaftlich verantworteter Perspektive ihre Religion kennenlernen. Zudem ist ein solcher Religionsunterricht – anders als in den Koranschulen – an verfassungsrechtlichen Mindeststandards ausgerichtet und staatlich kontrolliert. Integration als Daueraufgabe Es gibt Millionen erfolgreiche Integrationsgeschichten in Deutschland. Es gibt aber auch bei einer Minderheit der Zugewanderten –und nicht nur der Muslime – wie der Alteingesessenen deutliche Integrationsprobleme. Die liegen nicht an den Genen, nicht an der ethnischen Herkunft und sind nur selten in der Religion begründet. Es sind vor allem soziale Probleme: Bildungsferne, Perspektivenarmut und Diskriminierungserfahrungen. Damit verbunden ist oft ein Festhalten an patriarchalischen Weltbildern und Verhaltensweisen. Zahlreiche engagierte Menschen in den Kommunen, in den Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, im Quartiersmanagement oder in Migranten-Organisationen arbeiten daran, diese Probleme zu lösen. Ihnen fallen die Seehofers und Sarrazins dieses Landes mit aller Kraft in den Rücken. Für uns Grüne ist die Integration in diese Gesellschaft eine Kernfrage der Partizipation und Teilhabegerechtigkeit. Eine demokratisch verfasste Gesellschaft kann auf Dauer nur funktionieren, wenn nicht große Bevölkerungsteile von der vollen Teilhabe ausgeschlossen sind. Dazu zählt zentral der Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt. Wir fordern gesellschaftliche Integration durch frühzeitige und durchgängige Sprachförderung sowie breit gefächerte Bildungsangebote. Wir wollen wirtschaftliche Integration durch Chancengerechtigkeit beim Zugang zum öffentlichen Dienst und zum privaten Arbeitsmarkt, einschließlich der erleichterten Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Notwendig ist auch die politische Integration durch ein kommunales Wahlrecht und durch eine einladende Einbürgerungspolitik. All diese Angebote muss eine aufnehmende Gesellschaft machen und gleichzeitig die zugewanderten Menschen auffordern und motivieren, diese Angebote auch zu nutzen. Gleichstellung des Islam Wir wollen zur Gleichstellung des Islam einen breiten gesellschaftlichen Dialog führen. Dazu gehört auch, kritische Punkte klar anzusprechen und auf muslimischer Seite auf Veränderungen zu drängen. Von allen religiösen Organisationen, die eine vertiefte Kooperation mit dem Staat anstreben, erwarten wir, dass sie sich für die Verwirklichung der Menschenrechte einsetzen. Dazu zählt der Einsatz für die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Frauen, ein aktives Eintreten gegen Antisemitismus sowie die Verurteilung der Diskriminierung von Lesben und Schwulen. Die in Deutschland lebenden Muslime sind keine einheitliche Gruppe, auch wenn dies in der Debatte über den Islam in Deutschland immer wieder behauptet wird. Sie unterscheiden sich in vielfacher Hinsicht, vor allem durch ethnische, soziale und konfessionelle Herkunft. Neben der großen Mehrheit der Sunniten (74 %) leben in Deutschland ca. 7 % Schiiten und 13 % Aleviten. 86,4 % aller Muslime bezeichnen sich als gläubig, aber nur 35 % besuchen „häufig“ religiöse Veranstaltungen, 35,9 % „selten“, 29 % „nie“. Diese Zahlen sind der Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“ entnommen, die 2009 im Auftrag der Deutschen Islam-Konferenz erstellt wurde. Auch eine pauschale Unvereinbarkeit von Islam und Demokratie existiert nicht. Die allermeisten Muslime leben in Deutschland rechtstreu und praktizieren ihren Glauben, ohne dass daraus ein Interessenkonflikt entsteht. Wir sehen uns Grüne und alle demokratischen Parteien in der Verantwortung, in der Gesellschaft zur Information über Ziele und Inhalte des Islam beizutragen. Die immer schrillere Ausgrenzungsrhetorik von Rechts verstärkt dagegen Ängste und Unsicherheit bei Alteingesessenen wie bei Menschen mit Migrationshintergrund, sie befördert Abschottung statt Dialog. Das ist nicht nur schäbig, sondern brandgefährlich. Ausgrenzung und Vorurteile helfen nicht weiter. Die Zukunft unserer Gesellschaft hängt auch davon ab, wie gut es gelingen wird, den Islam und die Muslime in Deutschland zu integrieren.