Regelsatz nach Kassenlage statt nach Bedarf

aus der Bundestagsfraktion

Grundlage für die Feststellung der Bedarfe ist die Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins auch für jene Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können. Hierzu gehören auch die soziale und kulturelle Teilhabe, für Kinder insbesondere die Teilhabe an Bildung, für Erwachsene auch die Teilhabe am Arbeitsleben.

 

Der Kabinettsbeschluss zur Neuregelung der Hartz-IV-Leistungen ist eine Enttäuschung. Die Bundesregierung will die Regelsätze für erwachsene Hartz-IV-Empfänger nur um fünf Euro erhöhen, für Kinder gar nicht. Offensichtliche Defizite und seit langem bekannte und kritisierte Mängel werden nicht beseitigt – im Gegenteil. Das Vorgehen der Bundesregierung hat den Anschein, als ob hier eine Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils nach Kassenlage vorgenommen wird.

So sollen in die Ermittlung der Regelbedarfe künftig nicht mehr allein Ein-Personen-Haushalte einfließen, sondern auch Haushalte mit Kindern. Das haben wir schon lange gefordert. Zirkelschlüsse sind allerdings eingebaut: „Aufstocker“ und Haushalte, die in verdeckter Armut leben, wurden nicht aus der Vergleichsgruppe herausgerechnet. Die Vergleichsgruppe wurde außerdem – zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik – verkleinert, was dazu führt, dass auch der Referenzbetrag des Regelsatzes sinkt. Zudem wurden nicht die tatsächlichen Ausgaben zum Maßstab für die Regelsatzbemessung genommen. Beispielsweise sind für Kinder und Jugendliche weder für neue, noch für gebrauchte Fahrräder Ausgaben vorgesehen. Absurd niedrig sind auch die erfassten Kosten für den Öffentlichen Personennahverkehr.

In Zukunft sollen Kinder im Grundsicherungsbezug und Familien, die einen Kinderzuschlag bekommen, von zusätzlichen „Leistungen für Bildung und Teilhabe“ profitieren. Das ist gut. Der persönliche Schulbedarf soll – wie bisher – mit 100 Euro pro Kind und Jahr abgegolten werden. Das ist zu knapp. Mehr Geld will die Bundesregierung darüber hinaus nicht in die Hand nehmen. Der grünen Forderung nach Teilhabe kommt das SGB II damit nicht nach. An einer Verbesserung der Bildungseinrichtungen führt auch nach dieser Reform kein Weg vorbei.

Künftig sollen die Länder die Kommunen ermächtigen können, die Kosten der Unterkunft zu pauschalieren. Es besteht die Gefahr, dass Kommunen durch Tricks auf Kosten der Leistungsberechtigten ihre Ausgaben für Kosten der Unterkunft senken und nicht mehr deren tatsächlichen Bedarfe decken werden. Das ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Sozialgerichte. Bündnis 90/Die Grünen wollen endlich eine ausreichende Finanzierung des Bundes an den tatsächlichen Kosten der Unterkunft.

Die Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher waren hart und sollen noch härter werden. Nun sollen Sanktionen sogar ohne schriftliche Rechtsfolgenbelehrung verhängt werden können. Es soll reichen, dass ein Leistungsberechtigter „Kenntnis der Rechtsfolgen“ gehabt haben soll. Fehlerhafte Bescheide sollen nur noch innerhalb eines Jahres angegangen werden können. Dabei sind schon heute 50 Prozent aller Klagen im SGB II vor den Sozialgerichten erfolgreich, weil dem Personal in den Jobcentern so viele Fehler unterlaufen. Schwarz-Gelb betreibt Raubbau an den sozialen Bürgerrechten.