Umdenken – ein Plädoyer für den Wohlstand

Wir wollen Wohlstand“ – das stand auf Plakaten der Querdenker- und Anti-Grünen-Demos in diesem Jahr in Aschaffenburg. Und: „Klimaschutz geht uns am … vorbei“.

Ja klar. Auch wir wollen, ich will in Wohlstand leben. Aber kann man das eine ohne das andere wollen? Ich denke: Nein. Wohlstand gibt es nicht ohne Klimaschutz.

Die Frage ist nur: Was verstehen wir unter Wohlstand? Zwei Flugreisen im Jahr? Drei Autos vor der Tür? Erdbeeren im Dezember? Konsum um jeden Preis?

Nach dem zweiten Weltkrieg bedeutete Wohlstand: Frieden, Freiheit, genug zu essen zu haben, ein Dach über dem Kopf, ein sicherer Arbeitsplatz, irgendwann ein Auto und eine Urlaubsreise im Jahr.

Unsere Ansprüche sind seitdem immens gewachsen und damit leider auch die Haltung „das alles ist selbstverständlich“ und „das alles steht mir zu“. Ich bin der Meinung: Nein, es ist nicht selbstverständlich und es steht mir nicht automatisch zu. Ich habe schlicht und einfach Glück, in einem reichen und demokratischen Land geboren zu sein, die Chance auf Schul- und Ausbildung bekommen zu haben und in einem Sozialsystem zu leben, das mich im Notfall auffängt.

Ja, die meisten von uns haben sich ihren materiellen Wohlstand hart erarbeitet und haben ihn verdient. Doch wenn wir möchten, dass es unseren Kindern und Enkeln zumindest genauso gut geht wie uns, dann sollten wir umdenken. Wohlstand heißt nicht nur, Geld zu haben. Wohlstand heißt nicht Konsum.

Angesichts der Krisen wird für unsere Kinder Wohlstand viel mehr bedeuten: Saubere Luft, sauberes Wasser, keine Klimakatastrophen, genug Wohnraum, Frieden und Freiheit.

Und genau dafür sollten wir sorgen.

Das schaffen wir aber nur, wenn wir die Demokratie und das Klima schützen. Wenn wir für die Demokratie einstehen und uns gegen rechtes Gedankengut wehren, können auch unsere Kinder in Freiheit, Frieden und Sicherheit leben. Wenn wir in den Klimaschutz investieren, privat und als Gesamtgesellschaft, erhalten wir gute und gesunde Lebensbedingungen. Und mit neuen Wirtschaftszweigen schaffen wir Arbeitsplätze und sichern so auch den materiellen Wohlstand.

Und mit „Wir“ sind nicht die Menschen gemeint, die jeden Cent herumdrehen müssen. „Wir“, das sind diejenigen, die trotz steigender Preise ein gutes Auskommen haben, die Mittelschicht und diejenigen, die mehr als genug haben. Brauchen wir drei Autos? Müssen es immer die Malediven sein? Brauche ich immer neue Klamotten und immer das neueste Smartphone? Kann ich es mir nicht doch leisten, eine Wärmepumpe einzubauen, eine Photovoltaikanlage aufs Dach zu setzen, Bioprodukte einzukaufen und zu einem E-Auto zu wechseln?

Wer es kann, sollte es tun. Wer es sich leisten kann, sollte Verantwortung übernehmen. Im Privaten und in der ganzen Gesellschaft.

Fragen wir uns doch alle mal, was für uns selbst Wohlstand heißt. Auf was kann ich verzichten und welchen Wohlstand möchte ich auch für meine Kinder erhalten?
Die eigene Lebensweise zu überdenken – ein schöner Vorsatz für das neue Jahr.

Carla Diehl, Gemeinderätin in Kleinostheim, Sprecherin des Ortsverbandes Kleinostheim
carla.diehl@gruene-kleinostheim.de