Haushaltsrede 2026 von Sylvia Hein

Sehr geehrter Herr Landrat, verehrte Kreisrät*innen,
geschätzte Mitarbeitende in der Verwaltung,
sowie Vertreter der Presse,
meine Damen und Herren,

das zweite Jahr belegt mit Haushaltssperren liegt hinter uns, was die Möglichkeiten zu gestalten stark eingeengt hat.

Es ist immer noch Krieg in Europa, dessen Eskalationsstufe steigt stetig. Das führt zu erheblichen Ängsten und macht auch etwas mit dem Klima in einer Gesellschaft. Das hat Auswirkungen, selbstverständlich, auch in unserem Wirkungskreis. Die vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland geflüchteten Menschen, davon ca.1900 in unserem Landkreis, vor allem Frauen und Kinder, müssen untergebracht, versorgt, beschult und integriert werden. Es müssen Deutschkurse ermöglicht, um das in Deutschland geforderte Sprachniveau zu erreichen, um dann, vorausgesetzt die Kinderbetreuung funktioniert, eine Arbeit, möglichst im erlernten Beruf aufnehmen zu können.

Das hat mit dem von der Ampel beschlossenen Rechtskreiswechsel auch gut funktioniert! Dass nun erneut von der aktuellen Regierung ein Rechtskreiswechsel beschlossen wurde, stößt nicht nur bei den Mitarbeitenden des Jobcenters auf Unverständnis!

Zum Haushalt:

Die Ziele für diesen Haushalt 2026 wurden von der Verwaltung klar formuliert:

  1. Er soll ausgeglichen sein
  2. Er soll ohne neue Schulden auskommen
  3. Unveränderter Hebesatz der Kreisumlage von 48,7 Punkten
  4. Ein erhöhter Bezirksumlagesatz von neu 20,7 Punkten ist berücksichtigt.
  5. Es sind keine Stellenmehrungen in 2026 geplant.
  6. Krankenhausdefizit ist vollständig entsprechend den Erwartungen für 2026 eingeplant
  7. Ergebnisrücklage wurde vollständig im Haushalt verplant
  8. Netto-Neuverschuldung = 0 €
  9. Investitionsbudget aus dem Sondervermögen Infrastruktur wurde mit 3,7 Mio. € berücksichtigt

Und siehe da, das ist auch gelungen! Können wir uns nun entspannt zurücklehnen? Wir Grüne jedenfalls nicht!

Wenn ich mir meine HH-Rede vom vergangenen Jahr ansehe, dann ist das meiste unverändert. Das ist den eingangs erwähnten HH-Sperren und den damit verbundenen Einschränkungen geschuldet. Wir sind in Sachen Klimaschutz nicht weitergekommen, die ELA hat ihre Arbeit aufgenommen, die vorgestellten Projekte sind umfangreich, aber noch (so) weit am Anfang. Hier muss deutlich Tempo aufgenommen werden, will man die selbstgesteckten Klimaziele ernsthaft erreichen.

3,7 Mio. € aus dem Sondervermögen werden im Finanzplan für das kommende Jahr eingeplant. Das eröffnet Spielräume, die es INVESTIV zu nutzen gilt. Allerdings erst, wenn mindestens 10% Erhaltungsinvestitionen aus dem Kernhaushalt getätigt werden. Ich versichere Ihnen, wir Grüne werden das sehr genau beobachten.
Es fehlen deutliche Maßnahmen zur Klimaanpassung, wie Schulhofbegrünung in großem Maße, Dachbegrünungen, Wasserspender und vieles mehr!

Die Gelder sind jetzt vom Bund an die Länder gegangen. Hier erwarten wir entsprechende Planungen und Umsetzungen! So z.B. die Außenstelle des LRA wie ursprünglich geplant energetisch sanieren, die FOS erweitern, unter Berücksichtigung der Kostenerstattung 2/3 zu 1/3.

Dazu noch alle Gasheizungen in den Kreisgebäuden – je nach deren Alter – durch Heizungen mit erneuerbarer Energie ersetzen.

Jugendhilfe:

Die Jugendhilfeausgaben sind von 24,2 auf 26,7 Mio. €. gestiegen. Wie im Kreisausschuss bereits ausgeführt, sinnvolle Ausgaben, um mit dem Ausbau von Familienstützpunkten und JAS-Stellen frühzeitig Bedarfe zu erkennen und präventiv langwierige und teure Maßnahmen zu verhindern. Hier gibt es keinen Ansatz zum Sparen! Die Ursachen sind immer mehr steigende Bedarfe im Bereich des Jugendschutzes, mehr Pflegeplätze. Hier sehen wir GRÜNE eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe: „Schau hin, was in deiner Nachbarschaft los ist!“ Prävention vor Intervention!

Dazu gehören funktionierende Dorfgemeinschaften, ein lebendiges Vereinsleben, Sportvereine und, zurück auf der Verwaltungsebene, wie eben genannt, der weitere Ausbau von Schulsozialarbeiter*innen und Familienstützpunkten. Diese niederschwelligen Angebote ins Gespräch zu bekommen, Wege für Bedürftige aufzuzeigen sind richtig und wichtig! Im Rahmen der Arbeit der Gesundheitsregion plus ist das Thema Frauengesundheit weiter aktuell. Die Gleichstellungsstelle hat eine Menge an Aufklärungsarbeit geleistet.

Doch den Worten müssen Taten folgen: Die vollständige Umsetzung der Istanbuler Konvention, seit 2011 beschlossen, kann nicht mehr länger warten. Konkret bedeutet das, wir brauchen am Bayerischen Untermain 36 Plätze nur für Frauen und zusätzlich 57 für Kinder in Frauenhäusern. Im Bestand aktuell sind insgesamt 22!
Verbessert werden muss insbesondere auch die Erreichbarkeit der Beratungsstellen. Das wird in einigen Ländern durch mobile Stellen gemacht, die dann in den Orten für Hilfesuchende bereitstehen. Das beschlossene Gewalthilfegesetz ist gut, aber ein zahnloser Tiger, wenn es den Rechtsanspruch (ebenfalls beschlossen) auf einen Platz im Frauenhaus erst 2032 gibt.

Wieviel unnötiges Leid bedeutet das für wie viele Frauen und Kinder? Hier müssen wir auch im Kreis unseren Beitrag leisten: Frauenhäuser und Beratungsstellen finanziell und personell so ausstatten, dass sie handlungsfähiger werden. Z.B. müssen dafür in jedem Projekt der WLA Wohnungen zum „second-stage“ geschaffen werden – also Wohnungen für die Zeit nach dem Frauenhaus, die bezahlbar und in ausreichender Menge bereitgestellt werden müssen! 308 ermordete Frauen in einem Jahr in Deutschland, im Vortrag hier im LRA eindrücklich durch eine Anwältin beschrieben, in allen gesellschaftlichen Schichten, das muss uns Auftrag zum Handeln sein!

Und wie steht es nun eigentlich um die vielbeschworene Familienpolitik der Landesregierung? Nach Kürzungen am Familiengeld um 50% im vergangenen Jahr ist es nun auf 0 € „gekürzt“ worden. Mit solchen Maßnahmen werden die Bedarfe an professioneller Jugendsozialarbeit weiter steigen. Man kann die Gelder für Strukturen ausgeben, das macht aber nur Sinn, wenn die Familien von den Gebühren für die Kita entbunden werden.

Andere Bundesländer, nicht nur das Ampel-regierte Rheinland-Pfalz und Schwarz/Rot in Hessen machen es vor.

Klinikum:

Auf Druck des Stadtrates wurde vom Aufsichtsrat eine Beraterfirma für das Klinikum ausgewählt.
Ergebnis: Die von der Geschäftsführung seit Jahren in die Wege geleiteten Maßnahmen sind sinnvoll und zielführend. Sie haben uns bescheinigt, dass das Defizit nicht hausgemacht ist, und die Senkung spürbar auf den Weg gebracht. In erster Linie ist die Tarif– und
Sachkostenschere für den Anstieg verantwortlich. Künftig werden Prozesse weiter optimiert, Strukturen verändert, um hier in unserer Region als Maximalversorger für die Bevölkerung optimal aufgestellt zu sein. Insbesondere will man daran gehen die Kooperation mit den umliegenden Kliniken, auch in angrenzenden Bundesländern, zu intensivieren. Wenn jede Klinik die Leistungen anbietet, die sie am besten kann, gibt das Orientierung für die Patienten. Lobend erwähnen möchte ich, dass die mediale Kommunikation zu den Angeboten am Klinikum, insbesondere auch für den Standort Wasserlos, sehr verbessert wurde. Nur eine Verstetigung in der Öffentlichkeitsarbeit erreicht die Menschen.
Völlig unverständlich ist das Ansinnen der Bundesgesundheitsministerin 1,8 Mrd. € an den Kliniken zu sparen, um Beitragserhöhungen bei den Kassen zu vermeiden. Das ist keine Maßnahme, um dem Defizit entgegenzuwirken. Hier erwarte ich ein deutliches Veto von Ihnen, verehrte Frau Bundestagsvizepräsidentin, und von Ihnen, Frau Staatsministerin für Gesundheit. Die Enthaltung Bayerns im Bundesrat kann nur ein erster Schritt sein! Auf die Abstimmung im Bundesrat am kommenden Freitag bin ich gespannt.
Die Bedrohung eines militärischen Konfliktes wächst, wie kann man jetzt die Kliniken in ihren sowieso schon zu engen Korsetts weiter entlasten, dass ist die Frage? Hier darf aktuell nichts gespart werden, ganz im Gegenteil. Es braucht mehr für den Katastrophenschutz, das THW, das immerhin im Bundeshaushalt bedacht wurde, und die anderen Dienste zum Schutz unserer Bevölkerung!
Es gehört zur Ehrlichkeit dazu, die Zeiten von Geschenken sind (leider) vorbei. Wir alle müssen einen Beitrag leisten, um diesen Staat handlungsfähig zu halten. Die Bevölkerung hat das längst verstanden und erwartet von den Handelnden ehrliche Beschreibung der Probleme und nicht ein Vertagen in die Zukunft.

ÖPNV:

Im ÖPNV-Ausschuss gehen die Planungen zum Radwegebau voran. Dass hier in den vergangenen Jahren, trotz HH-Sperre, weitergeplant und vieles umgesetzt wurde, begrüßen wir Grüne ausdrücklich, genau wie die Sicherung des D-Tickets bis 2030. Wenngleich uns der Preis zu hoch ist. Das ist und bleibt ein Erfolgsmodell, ein wesentlicher Beitrag zum Erreichen der Klimaziele und es spart uns Geld bei der Kostenerstattung an die Schüler.

Die Schwächen des Nahverkehrsplanes haben wir deutlich benannt, zugestimmt nur, weil wir die positiven Aspekte nicht behindern wollen. Es braucht zusätzliche Schnellbuslinien, wie z.B. Alzenau/Aschaffenburg oder auch aus dem Spessart nach Aschaffenburg und mehr Abendbusse, vor allem am Wochenende. Das Geld kann nicht mehr als Gegenargument funktionieren.

Biosphäre:

Das für uns traurigste Kapitel im vergangenen Jahr war das Einknicken des Kreistages vor denen, die laut und nicht qualifiziert gegen die Biosphärenregion Spessart gearbeitet haben. Persönlich enttäuscht hat mich auch das Verhalten von Ihnen, Herr Landrat. Wir haben in zahlreichen Telefonaten versucht, einen Kompromiss zu finden. Wir Grüne haben am Ende noch in der Sitzung unseren Antrag zurückgezogen, um dann zu sehen, wie Sie sich Ihrer CSU-Fraktion untergeordnet haben – was war denn das?
Wir als Grüne geben die Biosphäre nicht auf, wir sind überzeugt: Das ist gut für die Natur, für die Infrastruktur, den Tourismus, für das Klima und für die Wertschöpfung in der Region! Die Akzeptanz und die Erwartungen in der Bevölkerung waren sehr hoch und wurden enttäuscht. Ich lade Sie alle, aber Sie Herr Landrat insbesondere ein, holen Sie die Biosphäre aus der untersten Schublade wieder auf Ihre Agenda. Warten Sie nicht auf den bayrischen Wirtschaftsminister!

Landkreisschulen:

Die Schulen im Landkreis sind in einem guten Zustand, bzw. hier wird stetig erneuert, saniert, gebaut, was nötig und sinnvoll ist, allerdings gibt es deutliche Defizite beim Thema Energieverbrauch und heizen. Es fehlt die sukzessive Umstellung auf erneuerbare Energien, wie Wärmepumpen und Hackschnitzel und die Darstellung im Finanzplan. Das gelingt nur wenn man Alter der Anlagen und Verbräuche stets im Blick hat. Dass jetzt beschlossen wurde, zwei Gasheizkessel an der Edith-Stein Schule und der Faks zu ersetzen, absolut kurzsichtig -! Auch wenn wir im Bauausschuss zu schnell zugestimmt haben, sprechen alle Faktoren, wie das Erreichen der Klimaziele und vor allem die Einsparungen fossiler Energien und damit CO2 sowie finanzieller Art, für den Einbau regenerativer Wärmeerzeugungsanlagen. Darüber sollte nochmal sehr verstärkt nachgedacht und vor allem von einem Energieberater gerechnet (!!) werden. Wir haben selbst gesteckte Klimaziele. Es braucht, um künftig nicht wieder aus der Not solche klimaschädlichen Entscheidungen zu treffen, eine Matrix. Es müssen sämtliche Heizungen, Energieverbräuche und Heizarten kreiseigener Gebäude in einer Übersicht verwaltet werden, damit die Zeit bleibt, zukunftsweisend zu agieren, anstatt mitten im Winter nur noch zu reagieren. Ein entsprechender Antrag von uns liegt der Organisation bereits vor.
Gerade an der Edith-Stein Schule, wo nach der Kündigung des Pavillongeländes durch die Stadt Alzenau neu gedacht werden muss, sollte man planen, die einzelnen Gebäudekomplexe ev. unterschiedlich zu beheizen oder mit der Stadt ins Gespräch gehen, wie es nach dem Weggang der Wellpappe weitergeht. Vielleicht sind da Quartierslösungen möglich, die die Schulen mit einbeziehen. Eine moderne, PV gestützte Wärmepumpe, die von April bis Oktober null Energiekosten verursacht, könnte in den heißen Monaten auch zum Kühlen verwendet werden, ein Aspekt der in immer heißer werden Sommern nicht zu unterschätzen ist. Das vorhandene BHKW verdient den Namen „Brückentechnologie“. Der propagierte Gaskessel H2-ready, aber niemals!
Es gibt keine Studie, die Wasserstoff als Massenheizmittel sieht! Davon sind wir noch Jahrzehnte entfernt. Für die Herstellung von Wasserstoff (grau/grün?) braucht es die dreifache Menge Energie, damit ist nichts gewonnen. Das gleiche gilt auch für die sukzessive Umrüstung des kreiseigenen Fuhrparks. Die Elektrifizierung ist hier weiter als gedacht wenngleich es an der Ladeinfrastruktur, auch für die Nutzern dieser Fahrzeuge fehlt.
Die Um- und Nachrüstung ist auf die Jahre gerechnet günstiger als herkömmliche Fahrzeuge. Zudem ist sie ein Beitrag zum Klimaschutz, der durch die geringeren Wartungskosten und Langlebigkeit der Fahrzeuge ein Beitrag zum Geldsparen ist.

Ich komme zum Schluss:

Das war ein Querschnitt durch die Themen, die uns Grünen sehr wichtig sind, wenngleich sie noch nicht vollständig sind. Mein Dank geht an Herrn Kreiskämmerer Stein und seiner Abteilung, der stets alle Fragen umfassend beantwortet hat. Alle Abteilungen haben übers Jahr ihre Themen sachkundig und fundiert berichtet, Vorlagen erarbeitet und Exkursionen begleitet. Es war immer ein gutes Miteinander. Bedanken möchte ich mich persönlich bei Ihnen Herr Landrat für die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Aufsichtsrat, wir setzen alles daran, das Klinikum in kommunaler Hand zu halten, und ich bin überzeugt, das wird uns gelingen.

Fazit:

Der Landkreis erfüllt seine Aufgaben, funktioniert für die Bürger*innen. Wir Grüne hätten uns mehr Innovation und Investitionen in die Zukunft, fürs Klima und die Region gewünscht, haben dafür gekämpft. Wir Grüne im Bund haben dem Sondervermögen und der damit verbundenen Grundgesetzänderung zugestimmt, um den Ländern, Landkreisen und Kommunen Gelder für Infrastruktur und zum Erreichen der Klimaziele bereitzustellen. Jedoch nicht für Wahlgeschenke.

Sondern für ein MEHR an Sicherheit, ein MEHR an Innovation und ein MEHR fürs Klima auch in unserem Landkreis, damit das Leben für alle jederzeit ein Gutes ist – in Freiheit und Demokratie! Im Vertrauen und im Blick darauf, dass die zusätzlichen Gelder für sinnvolle investive Maßnahmen ausgegeben werden, stimmt die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen dem Haushalt mit allen Anlagen zu.

Verehrte Zuhörende,

ich weiß sehr wohl das einige der Themen nicht zu unseren originären Aufgaben zählen. Dennoch haben sie Auswirkungen auf unser Leben hier. Deshalb war es mir wichtig dies auch zu benennen!
Da ich aus privaten Gründen nicht mehr kandidiere, war das meine letzte Haushaltsrede. Es war mir immer eine Freude und Ehre in diesem Gremium mitzuarbeiten! Bleibt mir nur, auch Ihnen zu danken für den wertschätzenden Umgang, im Besonderen Ihnen, Herr Landrat, für Ihr Vertrauen. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien im Namen meiner Fraktion eine friedliche Weihnacht, einen guten Start ins neue Jahr und uns allen positivere Aussichten und gemeinsame Lösungen für die Aufgaben im Kreis und die Krisen dieser Welt!
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


Sylvia Hein
Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen