Haushaltsrede zum Haushalt 2021 von Sylvia Hein

Haushaltsrede zum Haushalt 2021 von Sylvia Hein
Haushaltsrede | Kreistagssitzung vom 30.11.2020
Haushaltsrede zum Haushalt 2021 von Sylvia Hein

Die äußerst lesenswerte Rede unserer Vorsitzenden in voller Länge:

                

Sehr geehrter Herr Landrat, verehrte Damen und Herren der Verwaltung, Kolleginnen und Kollegen des Kreistages, ich grüße auch die Vertreter der Presse.

Der Kreistag ist in diesem Jahr in denkbar schwierigen Zeiten in diese 6-jährige Periode gestartet. Corona hat hier die konstituierende Sitzung und auch so manche Fraktionssitzung mit entsprechenden persönlichen Treffen verhindert, bzw. deutlich erschwert. Wir haben alle Videokonferenzen gelernt und uns mittlerweile damit arrangiert. Wir Grüne haben es sehr bedauert, dass die Kooperationsbereitschaft mit uns als zweitstärksten Fraktion politisch nicht gewollt war. Doch wie alles im Leben hat auch diese Entscheidung etwas Gutes. Wir können nun unsere Ideen aus dem Wahlprogramm als Anträge einbringen und uns so in den Dienst der Landkreisbewohner stellen. Dass es für Anträge auch gelegentliche Fragen an die Mitarbeiter im Hause geben muss, erklärt sich von selbst und ist sachbezogen leider nur, mit Zustimmung des Landrates möglich. Dabei geht es uns immer darum uns der wichtigsten Zukunftsaufgabe, der wir ALLE uns zu stellen haben, die Lebensbedingungen hier vor Ort zu verbessern. Damit meine ich dem Klimawandel mit allen Mitteln entgegenzuwirken! Dafür braucht es eine deutliche Politikänderung, alles was hier beschlossen wird, muss sich diesem Ziel verpflichtet fühlen und ihm genüge tragen.

Der Haushalt ist solide aufgestellt, Einnahmen und Ausgaben passen zusammen und haben ein Volumen von 183 MIO Euro, auch wenn das nur mit einer Neuverschuldung in Höhe von 13 Mio € zu bewerkstelligen war. Trotz dieser hohen Summe bleibt nicht allzu viel Spielraum für Projekte, die von den Pflichtaufgaben abgesehen, in Angriff genommen werden müssen. Beispielhaft nennen wir hier: Deutlich höhere Investitionen im Umwelt– und Naturschutz. Ja, es wird schon einiges gemacht, ja, andere sind da deutlich schlechter. ABER: Es gibt das vereinbarte Ziel des Klimaneutralen Landkreises bis 2030. Das ist kein „nice to have“ – sondern Grundlage, hier die politischen Weichen zu stellen. Neben der hier ansässigen Wirtschaft, die auch in Zukunft gewinnorientiert und umweltverträglich arbeiten soll, geht es primär um den Lebensraum der Menschen. Klimafragen sind immer auch soziale Fragen. Es geht uns was an, wenn die Landwirte Ernteausfälle haben, weil wir uns hier in der heißesten Region Bayerns befinden. Es geht uns was an, wenn Senior*innen sich deshalb nicht mehr im Freien bewegen können, weil die Belastungen für Herz und Kreislauf zu groß werden. Es geht uns etwas an, wenn die Bäche und Flüsse stetig weniger Wasser führen und der Grundwasserspiegel sinkt. Es geht uns deshalb etwas an, weil Umweltschutz immer vor der eigenen Haustür beginnt. Hier muss der Landkreis noch deutlich besser werden! 24% der Energie wird im Landkreis regenerativ erzeugt! Bis 2030, also in nur 10 Jahren, sollen es 50% sein! Da ist noch sehr viel zu tun!

Wir sind zuversichtlich, dass auch Sie Herr Landrat diese Aufgaben im Blick haben. Es fällt in ihre erste Amtsperiode alles dafür zu tun, in den nächsten 5 Jahren, hier im Landkreis Maßnahmen zu ergreifen und damit beizutragen, die 1,5 Grad  Marke, die im Pariser Klimaabkommen verabschiedet wurde, einzuhalten.

Die Verabschiedung des Baues der OU Pflaumheim nach einer jahrzehnte dauernden Planfeststellung, und einer nahezu Verdoppelung der Kostenrechnung in den letzten 2 Jahren auf 41 Mio €, liefert dafür keinen Beitrag. Die Bildung einer Aufgabenträgerschaft für den öffentlichen Personennahverkehr schon eher. Diese Aufgabenträgerschaft stärkt uns als Region 1 in der Kommunikation mit den Nachbarländern. Das ist der richtige Weg, der ÖPNV muss weg vom „Arme Leute Image“, wie es bei der Vorstellung genannt wurde, hin zu einem modernen, attraktiven Verkehrsmittel, dem Auto in jeder Beziehung überlegen. Kein Stau, keine Parkgebühren, genügend Platz und smarte Ausstattung. So geht ÖPNV! Gut abgestimmt auf die Bedürfnisse der Nutzer was Taktung und Preise angeht. Der Bedarf ist da, die schon heute vielen 1000 Bahn/Buspendler*innen sprechen hier eine deutliche Sprache. Nach mehrjähriger Vorbereitungszeit ist das ein echter Meilenstein auf dem Weg in eine Mobilität, die den regionalen Bedarfen im gesamten Landkreis verpflichtet ist. Das dies alles mit einer guten digitalen und damit nutzerfreundlichen Handhabung (Fahrkartenkauf, Fahrpläne etc.), verbunden sein muss ist zwingend zu organisieren. Der von uns initiierte Digitalbeirat wird hier wichtige Arbeit leisten.

Das diese Maßnahmen zum ÖPNV Geld kosten werden, war bei der Beschlussfassung hoffentlich allen klar. Die eingestellten Mittel von 2,5 Mio Euro zum Defizitausgleich werden in Zukunft wohl nicht reichen. Die Machbarkeitsstudie für den Radschnellweg Aschaffenburg-Hanau wurde beauftragt, ein zukunftsweisendes Projekt das ebenfalls nachhaltigen Einfluss auf die Mobilität haben wird.  Nun gilt es die Details so zu regeln, dass die Bürger*innen diesen Weg mitgehen. Es ist ein Baustein auf dem Weg zum klimaneutralen Landkreis.

Im kommenden Jahr werden wieder Millionen Euros in Straßenbau und Deckenerneuerung investiert. Selbstverständlich brauchen wir eine gute Verkehrsinfrastruktur. Doch hier gibt es, nach wie vor, ein deutliches Ungleichgewicht zwischen den Investitionen in den Individualverkehr Auto sowie dem Radwegeausbau und dem ÖPNV. Ja, auch wir Grüne sind der Meinung, dass sich der Landkreis in schwierigen Zeiten antizyklisch bei den Investitionen verhalten muss. Es bleibt die Frage – wofür? Wenn man sich die eingestellten Summen für z.B. Radwegebau, regenerative Energien und Ganztagsbetreuung ansieht, gäbe es unserer Meinung nach noch viele sinnvolle Investitionsmöglichkeiten.

Es sind Gelder im HH um das 365 € Ticket für Schüler*innen und Studierende einzuführen, ein Anfang immerhin. Dies, um das Sozialticket zu erweitern, fordern wir GRÜNE seit Jahren, davon werden wir auch nicht abweichen.

Die beauftragten Projekte zur Identität im Landkreis: AB aufs Rad, AB in die Natur, AB Genuss und Kultur werden wir konstruktiv begleiten, nachhaltig muss es werden, über die Befristung der Stelle hinaus. Wir sehen darin, insbesondere für die in Corona noch schwerer getroffenen Gemeinden wie z.B. Heigenbrücken, Heimbuchenthal und andere, einen wichtigen Beitrag den Landkreis touristisch weiter zu entwickeln.

Wichtig ist für uns an dieser Stelle, dass die geplanten Radrouten so ertüchtigt werden, dass sie auch im Alltag eine attraktive Alternative zum Auto darstellen.

Im Bereich der Sozialausgaben wird es, wie in diesem Jahr, vermutlich einen Nachtrag brauchen. Steigen die Zahlen und die Kosten für den Betreuungsaufwand von Kindern doch stetig an. Corona leistet wohl auch hier einen traurigen Beitrag. Homeoffice – Homeschooling – Kurzarbeit- Existenzängste – es ist gerade sehr viel was den Familien abverlangt wird. Schule und Kitas möglichst im Regelbetrieb zu halten und so auszustatten, dass das so bleiben kann ist aller Anstrengung wert. Das ist eine deutliche Entlastung für die Familien und nicht zuletzt für die Kinder.

Mit der Erhöhung der Jugendförderung um 23% leistet der Landkreis einen wichtigen Beitrag für den Nachwuchs in den Vereinen, ohne diese würde ein wesentlicher Baustein gemeindlichen Lebens fehlen.

Weiter wurde deutlich, dass es Zuwächse im Bereich des HH bei den Aufwendungen für Langzeitarbeitslose und hier auch den langzeitarbeitslosen Jugendlichen gibt. Eine Entwicklung, die nicht zuletzt Corona geschuldet ist. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten schreckt der ein oder andere davor zurück Ausbildungsplätze anzubieten. Wir sollten schauen, ob der Landkreis Stellen anbieten oder vermitteln kann. Im Gegensatz dazu ist der Aufwand für Geflüchtete gesunken, dies wurde damit begründet, dass gerade Geflüchtete aus Syrien nahezu vollständig selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen.

Mehr Engagement hätten wir Grüne uns bei der Unterstützung von Initiativen wie dem Cafe Arbeit gewünscht. Wir glauben, dass dieses niederschwellige Beratungsangebot mit den durchaus hervorragenden Angeboten hier im Hause nicht zu vergleichen ist.

Im Jugendhilfeausschuss wurde deutlich, dass die bereitgestellten Mittel um 1,5 Mio Euro erhöht werden müssen. Die Mitarbeiter arbeiten mit großem Engagement daran Jugendliche zu begleiten die diese Unterstützung dringend benötigen. Hier sei das Projekt „Meine Chance“ genannt, dass nun auch ohne zusätzliche Zuschüsse vom Land in die Verlängerung geht. Unerträglich ist, dass das Land seinen Zusagen für die finanzielle Ausstattung der JaS (Jugendsozialarbeiter) -Stellen an den Schulen nicht nachkommt. Hier nicht frühzeitig präventiv tätig zu werden kostet die Gesellschaft am Ende ein Vielfaches.

Ein großes Thema ist und bleibt der Defizitausgleich im Klinikum. Bisher gibt es noch die Mehrheit der Willigen das Klinikum in kommunaler Hand zu halten. Wir stehen für eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau, die in allererster Linie den Patienten dient. Wir als Grüne werden davon auch künftig nicht abweichen. Und ich sage: Da führt auch kein Weg dran vorbei. Der Landrat hat mit der Einladung der BKG,(Bayrischen Krankenhausgesellschaft) zu einem entsprechendem Fachvortrag, aufzeigen lassen, wie Krankenhausfinanzierung funktioniert. Dabei wurde deutlich gemacht, dass das Defizit eben nicht einer Form von Misswirtschaft geschuldet ist, sondern der Deckungslücke bei den Investitionen und dem viel zu niedrigem Basisfallwert. Hier ist das Land in der Pflicht. Der Ministerpräsident, der nicht Müde wird, zu betonen, wie gut wir in der Krise aufgestellt sind, muss seinen Worten auch endlich Euros folgen lassen. Corona hat zu dieser, ohnehin schwierigen, Lage noch ein Übriges beigetragen. Auch GM Spahn bleibt weit hinter seinen Ver-sprechen zurück: Zitat  „Keine Klinik wird wirtschaftlichen Schaden nehmen“ Die Milliarden für Digitalisierung und Ausstattung sind eines, doch den Kliniken in Verhandlungen mit den Kassen allein zu überlassen ihr Defizit auszugleichen, ist unlauter.

Bei allem Verständnis im Bereich Defizitsenkung voran zu kommen, zeigten doch die vergangenen Wochen, dass es unabdingbar ist hier mindestens, bei den politisch verantwortlichen, die Projekte klar zu benennen. Nicht nur die, die gerade anstehen, sondern auch was sonst noch abgearbeitet werden muss. Wir als Grüne sind daran interessiert, dass das unter Einbeziehung des Betriebsrates und damit den Mitarbeitern geschieht. So wie das jawohl auch in der Vergangenheit erfolgt ist? Die Mitarbeiter*innen und auch die Patienten*innen haben ein Recht auf Arbeit bzw. Versorgung in einem geordneten und geschützten Rahmen. Das ist unser Auftrag und für die Findung der passenden Lösungen sind die Gremien zuständig, immer ihrem Gewissen verpflichtet! Das kann dann auch dazu führen, dass einmal gefasste Beschlüsse überdacht werden und bei neuen Erkenntnissen auch korrigiert werden müssen.

Jetzt in „Corona II“ brauchen wir ALLE und ALLE sollten Hand in Hand in eine Richtung gehen! Der Sozialstaat ist seinen Einwohnern gegenüber zur Daseinsvorsorge und damit zur Gesundheitsvorsorge verpflichtet! Wer sich hier einen schlanken Fuß machen will, der sollte sich mal in der Krankenhauslandschaft umsehen und wird feststellen mit welchen Mehrkosten einst privatisierte Häuser wieder in kommunale Trägerschaft überführt werden mussten.

Trotz aller Widrigkeiten ist der Landkreis noch in einer einigermaßen komfortablen Finanzausstattung. Der Kämmerer profitiert von einer hohen Liquidität und Rücklagen und benötigt dennoch ein Darlehen. Möglich war dies, so habe ich es gelernt, durch die vorausschauende Arbeit und Tilgung von Schulden. Die Kosten für Pflichtaufgaben steigen, da ist es gut, dass mit, von Ihnen Herr Landrat regelmäßig zugesagten Berichten an den Kreistag, alle auf dem Laufenden gehalten werden.

Lassen Sie mich zum Schluss Danke sagen an die einzelnen Abteilungen hier im Hause. Die Präsentationen in den Ausschüssen zu ihrer Arbeit waren sehr gut, verständlich und transparent aufbereitet. Das war vor allem für uns neue Rät*innen sehr nützlich. Besonders danken möchten wir hier Herrn Stein für die Zeit auch in die Fraktion zu kommen und uns den HH näher zu bringen.

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen stimmt dem HH mit großer Mehrheit mit allen Anlagen zu.

Dies soll als Vertrauensvorschuss verstanden werden, nachdem uns die erfahrenen Kreisrät*innen versichert haben, dass mit Ihrem Amtsantritt, Herr Dr. Legler, ein anderes Tempo und ein anderer Stil Einzug ins LRA genommen hat. Wir als Faktion Bündnis 90/Die Grünen blicken nach vorne und laden sie verehrte Kolleg*innen aus dem demokratischen Lager, jederzeit zum konstruktiven Dialog ein. Der Landkreis und damit unsere Heimat sind uns wichtig. Hier mitzugestalten ist unser Anspruch und unsere Motivation.

Ihnen verehrte Kolleg*innen eine gute Zeit in schwierigen Zeiten und beste Gesundheit für die Zukunft.

Für die Fraktion

Bündnis 90/ Die Grünen

Sylvia Hein

 

-> Bericht der kompletten Kreistagssitzung