Wir sind immer noch da

Neujahrsempfang: Die Grünen im Kreis halten den 30. Geburtstag ihrer Partei nicht für selbstverständlich

31. Januar 2010

Alzenau
»30 Jahre, eine Generation – und wir sind immer noch da!« Für Thomas Mütze, Landtagsabgeordneter der Grünen, ist das keine Selbstverständlichkeit. Keine andere politische Partei sei so oft totgesagt und abgeschrieben worden, so Mütze beim gestrigen Neujahrsempfang des Grünen-Kreisverbandes Aschaffenburg auf der Alzenauer Burg. Dabei verlange die Politik aktuell vielleicht mehr denn je nach »grünen Antworten«.

 

Das 30-jährige Bestehen der Partei haben die Grünen im Landkreis Aschaffenburg gestern mit einem Neujahrsempfang auf der Alzenauer Burg gefeiert. Vor rund 40 Gästen hielt der Landtagsabgeordnete Thomas Mütze Rückschau und umriss aktuelle Ziele. Foto: Karin Klemt

Die Veranstaltung in historischem Ambiente hatte sich der Kreisverband zum runden Geburtstag gegönnt. Sprecher Hans-Dieter Manger konnte rund 40 Gäste willkommen heißen, die sich von Schnee und teils noch spiegelglatten Straßen nicht hatten bremsen lassen.
Belohnt wurden sie unter anderem mit einer Doppelportion Kultur: Der Theaterverein »Kultburg« entbot seine Geburtstagsgrüße mit einem szenischen Spiel, das an die Einweihung der »Bembel« im Kahlgrund erinnerte. Erfrischend später nach all der Politik: »Bawett Pfahlhammer« erklärte die Welt.
Nicht oft erleben Grünen die einen CSU-Bürgermeister, der bei ihnen spricht. Alzenaus Rathauschef Walter Scharwies kam nicht nur seinen Gastgeberpflichten nach, er fand sogar politische Gemeinsamkeiten.
Waltes Scharwies sieht Geleistetes
Den Grünen wie den Verantwortungsträgern in der Kommune sei daran gelegen, die »grauen Wolken über der Solarstadt Alzenau« zu vertreiben und die örtlich bedrohten Arbeitsplätze in der Zukunftsbranche zu sichern.
Scharwies würdigte auch die Rolle der Grünen in der Stadtpolitik und ihren Beitrag zu »sachorientierter und kollegialer« Arbeitsweise. Insbesondere nannte er den Stadtrat Burkard Jung, der bereits seit über 25 Jahren an der politischen Willensbildung mitwirke.
Thomas Mütze sieht den Wandel
Auch Thomas Mütze ging in seiner Ansprache ausführlich auf lokale Wurzeln, Wachstum und Erfolge der grünen Bewegung ein. Die zentralen Friedens- und Umweltthemen der ersten Jahre – Nato-Nachrüstung, Anti-Atom-Kampagne – hätten auch im Landkreis Aschaffenburg im Vordergrund gestanden. Mütze wies auf die geografische Lage im Brennpunkt des Ost-West-Konflikts, die Karlsteiner Nuklearbetriebe mit dem Versuchsatomkraftwerk und die reformbedürftige Müllentsorgung hin. Ohne Grüne gebe es heute kaum Tempo-30-Zonen, kaum einen derart leistungsfähigen öffentlichen Nahverkehr und wahrscheinlich noch immer ausufernde Mülldeponien, meint Mütze.
»Trotz Kosovo und Afghanistan sind wir noch immer in der richtigen Partei«, betonte der Abgeordnete und ging auf den Wandel ein, den die Grünen auf Bundesebene ebenso wie in Kreis- und Ortsverbänden – »dezentral und basisorientiert waren wir immer und sind wir noch« – durchgemacht haben. Mit der Hinwendung zur Realpolitik habe die Partei zwar die Hälfte ihrer ursprünglichen Wählerschaft verloren, dafür jedoch »andere und noch mehr Menschen« gewinnen können. Habe der Zeitgeist die Grünen auch gelegentlich als »überflüssig« abgeschrieben, jüngste Wahlergebnisse zeigten, gerade im Kahlgrund, einen stabilen Stand in der Bevölkerung. Dieser Rückhalt stärke bei den aktuellen Aufgaben: Abwehr des Kohleblocks 6 bei Staudinger auf regionaler, Kampf gegen die Aushöhlung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf Bundesebene.
Christine Scheel zu Perspektiven
Bis zum Gründungsparteitag 1980 in Karlsruhe holte die Bundestagsabgeordnete Christine Scheel in ihrem Grußwort aus. »Keine Partei hat in so kurzer Zeit so viel verändert und gesellschaftlich so viel aufgebrochen«, bilanzierte sie.
Begriffe wie Integration, Nachhaltigkeit und ökologisch-sozialer Umbau würden heute wie selbstverständlich gebraucht in den gesellschaftlichen Diskussionen und wirkten in alle Politikfelder hinein.
Jetzt müssten die Grünen dafür sorgen, dass über die Finanz- und Wirtschaftspolitik die erneuerbaren Energien und der Klimaschutz nicht aus dem Blick gerieten.
Im Bund müsse die neue Afghanistan-Strategie »sehr genau beobachtet«, eine Renaissance der Atomkraft verhindert werden: »Wir dürfen nicht vergessen, wo wir her kommen!«

Oliver Klemt

(Main-Echo)