GRÜN MOBIL am Beispiel Südtirol

Grünmobil

Voller Saal

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„Helau!!“, so begrüßte der eigens aus Bozen angereiste Referent Markus Belz die Zuhörer in der mit 90 Zuhörern vollbesetzten Scheune des Hauses Mirjam in Schöllkrippen. Ursache war keine Verwechslung der Jahreszeit, sondern die Tatsache, dass die Einheimischen unter den Zuhörern den gebürtigen Schöllkrippener als regelmäßigen Büttenredner der Karnevalssitzung in Schöllkrippen kannten.

Nach kurzen Eingangsstatements der beiden Landtagskandidaten der Grünen Volker Goll (für Aschaffenburg-Ost) und Stefan Wagener (AB-West), die durch die Veranstaltung führten, folgten informative 60 Minuten. In dieser Zeit berichtete der Experte für „Green Mobility“ über das erfolgreiche Mobilitätskonzept in Südtirol.

Obwohl Belz als Verkehrsplaner arbeitet, sieht er die Raumplanung als wichtigsten Baustein einer guten Verkehrspolitik an. Allein durch eine gute Mischung von Wohnen, Arbeiten, Freizeiteinrichtungen sowie Handel und Dienstleitungen lässt sich viel Verkehr mit allen seinen negativen Folgen vermeiden: Ist der Discounter erst auf der grünen Wiese statt in der Ortsmitte gebaut, findet der Verkehr dann zwangsläufig mit dem Auto statt.

Neben der Verkehrsvermeidung setzt Südtirol auf die Verlagerung des Verkehrs hin zum öffentlichen Nahverkehr. Die Wiedereröffnung der Vinschgerbahn in 2005 habe eine „Eisbrecherfunktion“ gehabt. Mit einem attraktiven Fahrplan ausgestattet, ist die Bahn zum Vorreiter eines ungeahnten Booms des gesamten öffentlichen Verkehrs in Südtirol geworden. Umfangreiche Baumaßnahmen wie z.B. Elektrifizierungen und Streckenneubauten werden in den kommenden Jahren die Kapazitäten der Strecken weiter erhöhen. So bekomme Bozen, eine Stadt, wenig größer als Aschaffenburg, ein eigenes Straßenbahnnetz.

Bei allen Maßnahmen steht nicht die Beschleunigung auf Einzelstrecken im Mittelpunkt sondern der „integrale Taktfahrplan“, die Verknüpfung aller Verkehrsträger zu festen Stundenzeiten. Wie wenig letzteres in unserer Region verwirklicht ist, konnte Belz bei seiner Anreise nach Schöllkrippen unmittelbar erfahren: Im Bahnhof Aschaffenburg betrug seine Umstiegszeit 30 Minuten. Bei weiteren Anschlüssen beträgt die Wartezeit bis zu 55 Minuten.

Unterstützt wird die Nutzung des ÖPNV durch ein revolutionäres Tarifsystem ohne große Einstiegshürden. Mit einer Chipkarte wird nach gefahrenen Kilometern abgerechnet, wobei gilt „Je mehr Kilometer pro Jahr desto günstiger“. 640,-€ pro Jahr, also ca. 53 € pro Monat sei die Obergrenze. Kinder und Jugendliche, sowie Studierende und Senioren*innen fahren teilweise noch erheblich billiger. Die Hälfte der einheimischen Bevölkerung nutze bereits dieses Kartensystem.

Eine Verkehrsverlagerung mit hoher Umweltwirkung stellt auch die Verlagerung von Autoverkehr hin zur Radnutzung. Moderne E-Bikes und Lastenräder ermöglichen es, dass das Fahrrad auf vielen auf kurzen Strecken das Verkehrsmittel der ersten Wahl ist. Bei längere Fahrten dient das Fahrrad als Zubringer zum Bus und Bahnverkehr. Dazu gibt es in Südtirol einen Radwegeplan an dem zügig gearbeitet wird. In den Bahnhöfen stehen verschließbare Radlboxen und Leihräder zur Verfügung.

Als dritter Baustein der nachhaltigen Verkehrswende soll nur der unvermeidliche Teil des Individualverkehrs durch Förderung der Elektromobilität verträglicher gestaltet werden.

Klar sei, dass ein solches System Geld kostet, die autonome Provinz Südtirol stecke in die Umsetzung des kompletten Mobilitätsprojektes 10 Mio €. jährlich. Dies ist ein Vielfaches des Betrages, der in unseren Landkreisen hier am Untermain investiert wird. Das Land Südtirol mache aber eine Gesamtrechnung auf: Um die vielen negativen Folgen des motorisierten Individualverkehrs in den Griff zu bekommen, müssten für teure Umgehungsstraßen mit aufwändigen Tunnelbauten wesentlich höhere Summen investiert werden.

Im Anschluss zum Vortrag von Markus Belz präsentierte der fahrradpolitische Sprecher des ADFC Aschaffenburg-Miltenberg, Tino Fleckenstein, die verbesserungswürdige Situation am Untermain aus Sicht der Radfahrer*innen. In der anschließenden lebhaften Fragerunde wurden vor allem die Mängel auf den wichtigen Radwegen durch den Kahlgrund und am Main angesprochen: schlechte Fahrbahndecke, zu eng und bei gutem Wetter überlastet und oft keine optimale Wegführung.

Die Diskussion wurden durch einen Input von Livia Erfurth, von der Grünen Jugend Aschaffenburg, eröffnet. Sie wies daraufhin, dass es aufgrund des Fehlens von Verkehrsangeboten, die den Bedürfnissen der Jugendliche entgegen kommen, selbstverständlich zu sein scheint, mit 18 den Führerschein zu machen und möglichst ins eigene Auto zu steigen.

Die Zuschauer, die durch das professionelle Wissen zur nachhaltigen Mobilität und das humoristische Talent von Markus Belz gleichermaßen bestens informiert und unterhalten wurden, freuten sich am Ende der Veranstaltung auf den kommenden Büttenauftritt im Jahr 2019. Aber auch zu den Fortschritten in Südtirol hat Markus Belz sein erneutes Erscheinen angekündigt. Da „wolle mern roilasse“ so Volker Goll, Vorstandssprecher von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN im Kreis Aschaffenburg-Land.